«Baumeister, seid Trüffelschweine!»

Die Immobilienpreise in der Schweiz steigen. Davon profitieren Bauunternehmen aber nicht. Sollen sie deshalb in den Immobilienmarkt einsteigen? Was der Experte Thomas Bornhauser rät.

«Von steigenden Immobilienpreisen profitiert der Bauunternehmer nicht!» Diese Aussage von Christoph Loosli, selber Bauunternehmer und Mitglied des Zentralvorstands des Schweizerischen Baumeisterverbands SBV,. rüttelt auf, denn das Ringen um Wertschöpfung und Ertragskraft steht im Zentrum jedes unternehmerischen Handelns. Liegt es da nicht nahe, als Bauunternehmer auch selber ins Immobilienbusiness einzusteigen? 

Martin Maniera, Leiter Wirtschaftspolitik beim Schweizerischen Baumeisterverband SBV, hat im «Zahlen und Fakten 2020» ausgerechnet, dass die Preise für Einfamilienhäuser sich seit 1970 um den Faktor 4,5 verteuert haben. Bei den Preisen für Stockwerkeigentum war zwischenzeitlich sogar eine Teuerung von Faktor 5 zu beobachten, in den beiden letzten Jahren hat sich der Anstieg dann etwas abgeflacht. Davon profitieren die Handwerker indes nicht, der Preisdruck im Bau bleibt hoch. Deshalb stellt sich die Frage, ob und wie Baumeister von den steigenden Preisen profitieren könnten und ob sie selbst ins Immobilien-Business einsteigen sollten. 

Der Einstieg ins Immobilienbusiness ist ein strategischer Entscheid 
Dazu sagt Thomas Bornhauser, Unternehmensberater, Moderator von Erfa-Gruppen des SBV und Dozent am Campus Sursee für angehende Baumeister: «Es klingt verlockend: Warum nicht auch mal an etwas teilhaben, bei dem andere gutes Geld verdienen? Diesem verständlichen Wunsch steht eine alte Unternehmerweisheit gegenüber: «Gutes Geld verdient sich nur selten leicht!» Durch blosse Nachahmung kann es zwar gelingen, an einem «Boom» für kurze Zeit mitzuverdienen, aber nachhaltig ist das nie. Denn blosse Nachahmer kommen fast immer zu spät. Das ältere Drittel der heutigen Bauunternehmer erinnert sich noch gut an jene Glücksritter, die in der letzten Immobilienkrise Ende 80er/Anfang 90er Jahre Kopf und Kragen riskiert und dabei viel Geld, teilweise gar die unternehmerische Existenz verloren haben. «Opportunistisches Mitverdienen» ist keine legitime Grundlage für ein Immobilien-Engagement als Bauunternehmer.» 

Wertschöpfungskette erweitert 
Die Bauunternehmung Stämpfli AG, Langnau i.E. war schon in der Immobilien-Entwicklung und -Verwaltung tätig, als Yvonne Battanta Stämpfli, die Ehefrau des Geschäftsinhabers, sich entschied, auch den Verkauf der gebauten Objekte in die Wertschöpfungskette zu integrieren. Sie absolvierte dazu die Ausbildung zur Immobilienvermarkterin, mit eidgenössischem Fachausweis. Das war 2008. Seither konnte sie einige auch schwierige Verkäufe abwickeln. Sie selbst sagt, dass sie nach wie vor immer dazulerne, zum Beispiel, dass man nicht von den eigenen Bedürfnissen auf die Bedürfnisse anderer schliessen solle.  

Immobilien ja, aber nur wenn die Voraussetzungen stimmen  
«Jeder von uns kennt Beispiele für erfolgreiche lokale Projektentwickler und Anbieter von Eigenbauten. Was ist deren Erfolgsrezept? Nach meiner Erfahrung gehören dazu: Persönliches Interesse an Immobilienprojekten, solide lokale Marktkenntnis, strategische Überzeugung und spürbarer Durchhaltewillen, denn es braucht gut und gern zehn Jahre Aufbauarbeit, bis eine Projektpipeline verlässlich trägt. Der ganz grosse Vorteil dieses Vorgehens: Ein sorgfältig und robust aufgebautes Geschäftsfeld trägt nicht nur unter optimalsten wirtschaftlichen Bedingungen. Im Gegenteil: Es hat eine situationsunabhängige und eigenständige wirtschaftliche Existenzberechtigung», sagt Bornhauser dazu. 

Ertragskraft ist keine Selbstverständlichkeit 
Der Unternehmensberater führt weiter aus: «Es ist ausserordentlich anspruchsvoll, im allgemeinen Hoch- und Tiefbau eine tragende Ertragskraft zu erzielen, denn die Struktur des Baumarkts ist in vielen Angebotsbereichen übereffizient. Entsprechend bedeutungsvoll sind Nischen und Ritzen, die überdurchschnittliche Ertragskraft ermöglichen - in Markt, Kundenkreis und Angebotsportfolio. Da, wo sich nicht bereits auch alle anderen tummeln. Diese Erkenntnis stand dem Titel der aktuellsten Schweizer Baustudie Pate: «Schweizer Baubranche - differenzieren oder verlieren»1.» 

Selbstverständnis ist mitentscheidend 
Sein Rat an die Bauunternehmer: «Im Baugewerbe steht uns unsere traditionelle Branchenkultur oftmals im Weg: Wir gewichten nach wie vor Erfahrung (d.h. unser Handwerk) ungleich höher als die Neugier (d.h. Kenntnis vom Markt). Mein Aufruf «Bauunternehmer, seid wie Trüffelschweine!» anlässlich einer früheren Bautagung ist überraschend vielen in Erinnerung geblieben. Was zeichnet ein Trüffelschwein aus? Sicher seine ausgezeichnete Nase und eine gehörige Portion Neugier – das wünsche ich allen Bauunternehmern für das wichtige Baujahr 2021!» 

Informationen zu Thomas Bornhauser: www.ubbo.ch 
Informationen zu den Erfa-Gruppen hier

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Schweizerischer Baumeisterverband

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