Der Widerstand gegen die SBB-Sparpläne hat genützt

Der Druck auf die SBB, die sistierten Bauobjekte wieder aufzunehmen, hat sich ausbezahlt. Auch der SBV hat verschiedene Schritte unternommen, damit die Objekte dennoch realisiert werden. Unter anderem hat er zusammen mit dem Schweizerischen Gewerbeverband sgv in einem Brief an die Bundesräte Guy Parmelin, Simonetta Sommaruga und Ueli Maurer festgehalten, es sei unverständlich, wenn bundesnahe Betriebe wie die SBB in Zeiten, in denen der Bund mit Milliardenhilfsgelder die Wirtschaft stärken muss, durch den Rückzug von Bauprojekten der Wirtschaft Aufträge entziehen.


Die Ende Januar 2021 angekündigte Sistierung von Immobilienprojekten der SBB wird aufgehoben. Folgende Projekte werden wie ursprünglich geplant realisiert: Renens-Prilly, Central Malley Aire A + Aire B / Renens Quai Ouest, Bâtiment Est / Bern Neubau Bollwerk 2-8 / Zürich Elvetino Limmatstrasse / Zürich Wollishofen Bahnhofplatz / Horgen-Oberdorf und Winterthur Stellwerk II. Bei den meisten Projekten sind die Voraussetzungen für einen Baubeginn bis im Sommer 2022 gegeben. Die Weiterführung erfolgt in Absprache mit dem Eigner. Die SBB passt die Finanzierungsmodalitäten bei Beschaffungen an und erhöht so den finanziellen Spielraum. Damit ist es der SBB möglich, trotz finanziell sehr angespannter Situation weiterhin zu investieren. So kann das Unternehmen den Anliegen der Gemeinden und Regionen sowie der Bauwirtschaft entgegenkommen. Die auch für die SBB selbst wichtigen Projekte werden also realisiert, ihrer volkswirtschaftlichen und raumplanerischen Bedeutung wird auch in Corona-Zeiten Rechnung getragen. 
Die Planung weiterer rund 30 Projekte, bei denen eine schrittweise Sistierung in den nächsten Monaten geplant war, wird ebenfalls weitergeführt. Vor deren Realisierung wird mit dem Eigner eine neue Lagebeurteilung erfolgen, und zwar wenn mehr Klarheit über die mittelfristigen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die finanzielle Lage der SBB besteht. 
 
Die Bekanntgabe, dass die SBB grosse Bauvorhaben aufgeben wollen, hatte in der Baubranche für Irritationen gesorgt – schliesslich hatte der Bundesrat in seiner Antwort auf die Interpellation von Nationalrätin Daniela Schneeberger zugesichert, dass die öffentliche Hand das Bauen weiter forcieren wird. Er bestätigte damit, dass der Bau die die Folgen der coronabedingten Rezession abfedert. Nun schert ausgerechnet ein bundesnaher Betrieb aus. Der Schweizerische Gewerbeverein sgv und der Schweizerische Baumeisterverband SBV hatten reagiert und einen Brief an den Bundespräsidenten Guy Parmelin sowie seine beiden Bundesratskollegen Simonetta Sommaruga und Ueli Maurer geschrieben. «In Zeiten, in denen der Bund mit Hilfsgeldern in Milliardenhöhe die Wirtschaft stützt, sowie die Rezession abzufedern versucht und Arbeitsplätze sichern will, stösst vor allem die offizielle Begründung, warum die Projekte von SBB Immobilien sistiert worden sind, auf grosses Unverständnis. So werden die Bauprojekte gemäss SBB Immobilien einzig aus dem Grund sistiert, um die vom Bundesrat erwartete Wiedereinhaltung des Schuldendeckungsgrades von 6.5 einzuhalten», stand im Brief. 
 
«Anpassung ist notwendig» 
Und weiter: «Der Bundesrat hat gemäss den «Strategischen Zielen des Bundesrates für die SBB AG 2019 – 2022» die Möglichkeit, eine zeitweise Überschreitung der Obergrenze der Nettoverschuldung einzugehen. Auch kann er gemäss diesen Vorgaben nach Rücksprache mit der SBB die Ziele bei Bedarf an das sich wandelnde Umfeld anpassen. Eine solche Anpassung ist aus unserer Sicht in der aktuellen Situation aufgrund der Dringlichkeit und Verhältnismässigkeit zwischen der Einhaltung einer Schuldenobergrenze und dem damit angerichteten volkswirtschaftlichen Schaden angezeigt.»  
 
«Bau ist voranzutreiben» 
«Der Schweizerische Gewerbeverband sgv hat bereits im April 2020 seine wirtschaftspolitische Agenda präsentiert und mit seiner «Agenda for Action» die Forderung aufgestellt, dass die öffentliche Hand und auch die Betriebe im Staatsbesitz ihre Projekte zeitverzugslos und Corona unabhängig umsetzen. Konkret haben wir auch auf Bau- und Infrastrukturvorhaben der öffentlichen Hand Bezug genommen. Verzögerungen von Baugesuchen sind zu vermeiden, Vergabeprozesse gezielt voranzutreiben und Infrastrukturbauten wie geplant zu realisieren, um so kurzfristig für mehr Arbeitsvolumen zu sorgen. Inländische Anbieter sind gemäss den Vorgaben des Bundesgesetzes für das öffentliche Beschaffungswesen zu berücksichtigen», sagt Hans-Ulrich Bigler, sgv-Direktor, der den Brief mitunterzeichnet hat. «Damit unterstützen wir die Forderungen des Baumeisterverbands und ihren Fünf-Punkte-Plan. Das Bauhaupt- und das Baunebengewerbe kann damit einen wesentlichen Impuls liefern, um die aktuelle Rezession abzufedern und Arbeitslosigkeit zu vermeiden.» 
 
Das Investitionsniveau hochhalten 
«Der sgv teilt die Meinung des SBV, denn es ist wichtig, dass in einer Krise, die zahlreiche Sektoren unserer Wirtschaft trifft, der Staat und seine Unternehmen das Investitionsniveau hochhalten, um den Baufirmen weiterhin Aufträge zu bescheren. Denn die Bauwirtschaft ist ein wichtiger Pfeiler der Schweizer Wirtschaft, der einem grossen Teil der Bevölkerung Arbeit und Wohlstand bringt», erläutert Fabio Regazzi, sgv-Präsident. Er hat den Brief ebenfalls mitunterzeichnet. 
 
Seitens des SBV wurde das Schreiben von Direktor Benedikt Koch und Zentralpräsident Gian-Luca Lardi signiert.  
 
Ständerat handelt ebenfalls 
Neben dem sgv unterstützte auch die Finanz-Kommission des Ständerates den SBV in seinen Bemühungen, die Sistierung der Immobilienprojekte zu verhindern. Sie forderte den Bundesrat ebenfalls auf, die Immobilienprojekte der SBB doch auszuführen. In einer Motion schreibt sie: «Der Bundesrat wird beauftragt, die Verschuldungsobergrenze der SBB vorübergehend anzuheben, um die Finanzierung ihrer Immobilienprojekte sicherzustellen, die bereits öffentlich aufgelegt wurden und bei denen erwiesen ist, dass sie wirtschaftlich tragfähig sind, sofern die Arbeiten innerhalb von 18 Monaten beginnen können.» 
Der Waadtländer Ständerat Olivier Français, der Autor der Motion, sagt: «Der Brand ist unter Kontrolle, aber er ist noch nicht gelöscht. Bei etwa dreissig Projekten bestehen weiterhin Zweifel. Das grundlegende Problem ist also noch nicht behoben, und das Parlament sollte sich im Rahmen der Covid-Massnahmen damit befassen. Denn indem sich der Bund weigert, die Obergrenze der Nettoverschuldung der SBB vorübergehend zu überschreiten, schlägt er gleich mehrere objektive Kriterien in den Wind, angefangen bei der Rentabilität der sistierten Projekte. Fast alle befinden sich in unmittelbarer Nähe eines Bahnhofs, auf Flächen, die der SBB aktuell keinen Rappen einbringen. Diese Bauprojekte sind also nicht nur attraktiv, sondern ermöglichen es auch, brachliegende Flächen aufzuwerten. Die Projekte würden also für die SBB Einnahmen generieren und auch der Bevölkerung einen Nutzen bringen, die Mühen hat, genügend Wohnraum zu finden und gerade entlang der Transportachsen Wohnungen sucht. Der SBB zu verbieten, die Projekte voranzutreiben, verunmöglicht es ihr, das Ziel zu erreichen, den Anteil an bezahlbaren Wohnungen in ihrem Immobilienportfolio von 30 auf 45% zu erhöhen. Die Sistierung der Immobilienprojekte der SBB widerspricht zudem den im RPG gesteckten Zielen in Sachen Verdichtung. Nicht zuletzt sollte mit dem Ertrag aus dem Immobilienpark der SBB die Pensionskasse finanziert werden, die im Zeitraum 2028-2029 in Schwierigkeiten geraten könnte, wenn die sistierten Projekte nicht rasch umgesetzt werden. Wir erleben eine ausserordentliche Krise, die jedoch nur vorübergehend ist und in keinster Art und Weise der SBB angehaftet werden kann. Es ist daher vorstellbar, dass nicht alle Ziele erreicht werden. Wägt man die Risiken gegeneinander ab, ist das Risiko, die Verschuldungsobergrenze vorübergehend anzuheben praktisch bei null. Das Risiko, jetzt auf rentable und attraktive Projekte zu verzichten und im gleichen Zug zahlreiche davon abhängige Arbeitsplätze zu opfern, ist hingegen deutlich grösser.» 

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Schweizerischer Baumeisterverband

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