Die Einhaltung von Governance und Compliance lohnt sich

In einer gemeinsamen Veranstaltung mit der ZHAW gab der SBV seinen Mitgliedern Einblick in Fragen rund um die Compliance. Dabei kamen auch kartellrechtliche Vergehen und ihre Folgen für öffentliche Vergaben zur Sprache. 
 
Das neue öffentliche Beschaffungsrecht BöB bietet Bauunternehmern Chancen, das führte Bruno Gygi, Leiter Kompetenzzentrum Beschaffungswesen Bund KBB, in seinem Referat auf. Gygi strich aber auch die Herausforderungen heraus, insbesondere hinsichtlich der Risiken. Da das revidierte BöB für einen fairen Wettbewerb einstehe, sei die Überarbeitung genutzt worden, um der neuen Vergabekultur gerecht zu werden. Was bedeutet, dass unzulässige Wettbewerbsabsprachen und die Korruption stärker als bisher bekämpft werden. Neu sind Vergabestellen explizit aufgerufen, Massnahmen gegen Wettbewerbsabsprachen zu ergreifen. Es besteht eine Meldepflicht an die WEKO. Vergehen werden künftig mit einem Ausschluss von öffentlichen Vergaben geahndet. Weitere Ausschlusskriterien sind die Nichtentrichtung von Sozialabgaben oder Steuern. In die Verträge kommt eine Integritätsklausel sowie eine Unabhängigkeitserklärung. Das Unangenehme für Bauunternehmer ist, dass ein Verdacht auf unzulässige Absprachen für einen Ausschluss reicht. Allfällige Vergehen belasten den Bauunternehmer noch lange. Auch schlechte Erfahrungen in der Vergangenheit führen zu Ausschlüssen von öffentlichen Vergaben. Insgesamt können Vergabestellen Sperren von bis zu fünf Jahren aussprechen. Governance und Compliance lohnen sich also! 
 
Relativierung des Preises 
Der Preis spielt bei den öffentlichen Vergaben nach wie vor eine wichtige Rolle, seine Bedeutung wurde aber dennoch mit der Revision relativiert, weil weitere Zuschlagskriterien wie die Nachhaltigkeit berücksichtigt werden. Thomas Hofstetter, wissenschaftlicher Mitarbeiter Politik, führte das an einem konkreten Beispiel auf.  
 
Nachfragen lohnt sich 
Bei Marktabklärungen, riet Caroline Socchi von Agon Partners, sollen Bauunternehmer nachfragen um sicherzustellen, dass sie durch das Beantworten der Abklärungen nicht als vorbefasst angesehen werden. Diese Auskunft ist am besten schriftlich einzuholen, allenfalls als Bestätigungsmail nach einem Gespräch.  
 
Kooperation zahlt sich aus 
Bendicht Lüthi, Sachbearbeiter bei der Wettbewerbskommission, führte aus, dass Kartellverfahren sehr lange dauern können. Dabei sind auch Submissionsabsprachen über Dritte unzulässig. Gemäss Lüthi fahren Unternehmen, die mit der untersuchenden Behörde kooperieren, besser, weil das die Verfahrenslänge positiv beeinflusst.  
 
Risiko minimiert? 
Lüthi plauderte in der Folge etwas aus dem Nähkästchen sprich beleuchtete einen konkreten Fall. Dabei ging es um ARGEs. In einem Fall hatten immer zwei Unternehmen gemeinsam als ARGE offeriert, wobei dann immer das gleiche Unternehmen den Auftrag ausführte. War das eine Wettbewerbsverzerrung? Lüthi meinte, die grundsätzliche Frage sei, ob die Unternehmen allein auch offeriert hätten. Erfolgte die ARGE-Offerte, um das Risiko für das einzelne Unternehmen bei einer Zusage zu minimieren oder um einen Konkurrenten auszuschalten? Lüthi erläuterte, es ginge um die Frage, ob das ARGE-Angebot besser war als ein allfälliges Angebot bei einem Alleingang. War dies der Fall, so war die «Dauer-ARGE» kein Problem. Falls nicht, dann schon. Kritisch ist für Lüthi, wenn es von Anfang an das Ziel ist, dass ein ARGE-Partner den Auftrag allein ausführt. Lüthi riet davon ab, in einer Wait-and-See-Position zu verharren. Für die Bildung einer ARGE brauche es klare Strategien, auch hinsichtlich Risiken zu Kartellvergehen. 
 
Wer wann haftet 
Der Rechtsexperte Markus Wyssling ging Haftungsfragen nach. Demnach haften Verwaltungsräte und Geschäftsleitungsmitglieder bei kartellrechtlichen Vergehen. Genauso haften auch Mutterunternehmen für ihre Töchter oder für Subunternehmer. Wyssling warnte: Die Schadenersatzklagen, die auf dem Kartellrecht basieren, sind stark gestiegen. So könnten Gemeinden klagen, weil sie zu viel bezahlt hätten. Das werde im Ausland schon so praktiziert. Er riet Unternehmen, ein Competition Compliance Programm einzurichten, so sei der Vewaltungsrat geschützt. Auch er riet, im Falle eines Falles mit den Behörden zu kooperieren. «Das spart Zeit und Geld und minimiert den Reputationsschaden.» 
 
Erlaubt oder nicht? 
Michael Kehrli, Rechtsdienst SBV und Fabio Babey, ZHAW; beleuchteten anschliessend, wann eine ARGE erlaubt ist und wann Behörden dahinter verbotene Preisabsprachen vermuten könnten. Die gute Nachricht: ARGEs gelten in der Regel nicht als unzulässige Wettbewerbsabrede. Bei notwendigen ARGEs zwischen Konkurrenten, die auch einzeln offerieren könnten, empfiehlt es sich, eine Fachexpertise anzufordern, um eine unzulässige Wettbewerbsabsprache auszuschliessen. Unproblematisch sind ARGEs zwischen Unternehmen aus verschiedenen Bereichen, wie Baumeister mit Schreinern oder Sanitärbetrieben, ARGEs zwischen unechten Konkurrenten, die den Auftrag allein nicht auszuführen imstand wären oder unfreiwilligen ARGEs, die vom Bauherrn gewünscht werden. Hat eine ARGE einen Marktanteil unter 20 Prozent, dann wird sie meistens als unproblematisch erachtet. Auf jeden Fall sollen bei ARGEs die Kooperationen geplant und analysiert werden. Es braucht auch eine Transparenz gegenüber der Bauherrschaft. Weiter sollen Verantwortliche alle 18 bis 24 Monate eine Compliance-Schulung erhalten.  
 
Die wesentlichste Aussage zu den ARGEs war: Kann man die kaufmännischen Grundsätze und Überlegungen, die zur Gründung einer ARGE geführt haben, gegenüber der WEKO darlegen und dokumentieren, bewegt man sich in einem sicheren Bereich. 

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Schweizerischer Baumeisterverband

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